Wir legen Euren Zerstörungswahn auf Eis! Parkschützer frieren Abrissarbeiten für Stuttgart 21 ein

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Video-Beschreibung von EastEndPeterP – 09.02.2012

Presseerklärung vom 10. Februar 2012

Wir legen Euren Zerstörungswahn auf Eis!
Parkschützer frieren Abrissarbeiten für Stuttgart 21 ein

Stuttgart, 10. Februar 2012: Parkschützer nutzen die vorherrschende Kältewelle, um die Abriss-Bagger am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs auf Eis zu legen: In den frühen Morgenstunden werden die Bagger mit klarem Leitungswasser besprüht und so eingefroren. Unter dem Motto ‚Wir legen Euren Zerstörungswahn auf Eis!‘ sorgen die Parkschützer so für den dringend gebotenen Baustopp: Die Bahn zerstört bewährte Infrastruktur, ohne Nutzen oder Sinn. An der Stelle des Südflügels, der nun abgerissen wird, kann in den nächsten Jahren nichts gebaut werden, selbst wenn die Bahn einen Auftragnehmer fände, der bereit ist, den Tunnelbahnhof zu graben. Dieser Abriss zur Unzeit kann nur eine weitere Brache in die Stuttgarter Innenstadt schlagen, so wie wir sie an Stelle des vor über einem Jahr abgerissenen Nordflügels haben.

„Unsere Politiker haben offensichtlich vor der Übermacht Bahn kapituliert“, sagt Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer. „Die Bahn kann zwar das Technikgebäude nicht bauen, für das sie den Nordflügel abgerissen hat. Aber damit es nicht aussieht, als täte die Bahn gar nichts, reißt sie nun auch noch den Südflügel ab. Und unsere Regierung betrachtet es als ihre ‚Projektförderpflicht‘, diese Dreistigkeit mit Polizeigewalt durchzusetzen und zu schützen. Es wäre vielmehr die Pflicht der Bahn, die Projektplanung wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Es ist die Pflicht unserer Landesregierung, ebenso wie die Pflicht der Bundesregierung in Berlin, der Bahn nicht einfach auf Staatskosten freie Hand zu lassen. Dieser destruktive Aktivismus der Bahn muss auf Eis gelegt werden!“

Der Bauablaufplan sieht den Abriss des Südflügels erst einige Jahre nach Inbetriebnahme des Grundwassermanagements vor. Vorher kann das entstehende Brachgelände nicht sinnvoll genutzt werden. Das Grundwassermanagement ist frühestens Ende 2013 betriebsbereit, selbst wenn der geltende Baustopp bald aufgehoben werden sollte. Auch die Abholzung des Schlossgartens bringt vor Inbetriebnahme des Grundwassermanagements keinerlei Projektfortschritt.

Siehe auch: http://www.bei-abriss-aufstand.de/2012/01/08/db-bauablaufplan-vor-inbetriebnahme-des-gwm/

Die eigentlich anstehenden Arbeiten — Nesenbachdüker, Technikgebäude, Grundwassermanagement — kann die Bahn allesamt nicht ausführen, da sie in einem Fall keine ausführende Baufirma findet, im anderen Fall fehlt ihr das Baurecht.

Weitere Presseerklärung: Polizist von Wasserpistole erschossen?

Guntrun Müller-Enßlin: 109. Montagsdemo gegen Stuttgart 21 – 30.01.2012

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Rede von Guntrun Müller-Enßlin bei der 109. Montagsdemo

Liebe Freundinnen und Freunde,
es ist Ende Januar, die Narren holen ihr Häs aus dem Schrank und auch in der Politik ist Narrenzeit.

Am Südflügel wird seit heute Mittag denkmalgeschützte Bausubstanz zerstört; die noch größere Untat der Schlossgartenrodung steht kurz bevor. Das was zwei Weltkriege, was Notzeiten mit Holzknappheit und was selbst der Götzendienst am grotesken Ideal der autogerechten Stadt in den 50er Jahren nicht vermocht haben, das soll nun ohne Not vollzogen werden in einer Zeit, in der bereits ein Umdenken in Sachen Umwelt und Naturschutz eingetreten ist und selbst die CDU die Ökologie als Thema für sich entdeckt hat.

Als sei das der Tollheit noch nicht genug, so wird diese Narrenposse ausgerechnet von einer Regierung durchgesetzt, die sich behutsamen Umgang mit Ressourcen, gezielte Investitionen in erneuerbare Energien, Ökologie, Bildung und Soziales in ihr grünes Programm mit der netten gelben Sonne geschrieben hat. Närrischer geht’s nicht. Nur schade – das Lachen bleibt uns dabei im Hals stecken.

Denn unser Schlossgarten mit seinen prachtvollen mehrhundertjährigen Riesen, den Platanen, Kastanien, Robinien, Eichen, Buchen und der Blutbuche, dieser Schlossgarten ist etwas vom Schönsten und Wertvollsten, was wir in Stuttgart haben. Es blutet einem das Herz angesichts der offenbar durch nichts mehr aufzuhaltenden finalen Barbarei inmitten unserer Stadt. Wer sich in unserer gnadenlosen Wettbewerbsgesellschaft auch nur einen Rest Menschlichkeit und Respekt vor unserem Kosmos und seinen Geschöpfen bewahrt hat, der blickt fassungslos auf die eiskalte schamlose Geschäftsmäßigkeit, mit der die Projektinitiatoren das Räderwerk zum Vollzug dieses Naturfrevels ablaufen lassen, so als ginge es nicht um jahrhundertealtes Gewachsenes, mit dessen Zerstörung wir uns selber die Lebensader durchtrennen. Skandalös ist es, dass es möglich sein soll, die Instrumente unserer Demokratie zur Durchsetzung einer solchen bodenlosen Dummheit zu missbrauchen. Wie ist es um die Tauglichkeit eines Rechtsstaats zum Wohl der Menschen bestellt, wenn man zulassen muss, dass einem kollektiven Organismus, zu dem man selber gehört, die Lunge herausgeschnitten wird, nur weil ein Teil unserer Bevölkerung sich dafür ausgesprochen hat, in Zukunft ohne Lunge leben zu wollen? Der Kahlschlag an jenem traurigsten aller Tage wird denn auch vollumfänglich sein und in unserer Stadt weit mehr zerstören als den intakten Schlossgarten.

Nach Wochen gespenstischen Schweigens vonseiten unserer gewählten Regierungsvertreter zu all dem, was hier seine Schatten voraus wirft, erreichte uns gestern eine Antwort von Ministerpräsident Kretschmann auf einen kurz nach Weihnachten geschriebenen offenen Brief aus unseren Reihen.

Nach dem Lesen dieser Antwort des Ministerpräsidenten habe drängt sich der ebenso niederschmetternde wie alarmierende Eindruck auf: Hier setzt jemand einen so genannten Mehrheitsentscheid absolut, sei er auch noch so offensichtlich zum irreparablen Schaden einer Bevölkerung. Begriffe wie Wahrheit und Lüge werden zur Beliebigkeit weichgespült und als Folge davon werden alle vernünftigen und stichhaltigen Sachargumente gegen Stuttgart 21 zum Ausverkauf freigegeben. Da kann man nur noch sagen: Eine solche Denke ist die sichere Einbahnstraße, auf der wir unseren Planeten auf dem kürzesten Weg vollends an die Wand fahren – alles schön buchstabendemokratisch legitimiert, damit es auch seine Ordnung hat – und Sie, Herr Kretschmann, haben dazu beigetragen.

Wir Gegner von Stuttgart 21 sagen: Es ist verheerend und absolut unzulässig, wenn man zugleich mit dem Ausgang des Volksentscheids sein Gewissen mitsamt dem gesunden Menschenverstand wie einen alten Hut an den Nagel hängt.

Ich weiß nicht, ob sich unsere Regierung vorstellen kann, was in Stuttgart los sein wird, wenn der Park angetastet wird. Die Menschen werden sich niemals mit der Verstümmelung im Herzen ihrer Stadt abfinden. Die Fällungen werden bei den Mitstreitern gegen S21 eine offene Wunde hinterlassen, und die mit Billigung unserer grünen Landesregierung begangene Untat wird niemals verziehen und vergessen werden. Wir sagen Ihnen voraus: Der Makel der Schlossgartenrodung wird für alle Zeit nicht nur an Ihrer grünen Partei, sondern insbesondere an der Person und dem Namen von Ihnen, Herr Ministerpräsident Kretschmann, kleben bleiben. Er wird da kleben bleiben wie Pech und sehr zum Wohlgefallen der Projektinitiatoren, die Ihnen den Schwarzen Peter zuschieben konnten, noch dazu mit dem für sie angenehmen Nebeneffekt, die Bewegung der Obenbleiber und die GRÜNE Landesregierung zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Aber auch der Schaden für Ihre eigene Partei wird beträchtlich sein. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass sich eine Partei, die bei der erstbesten Belastungsprobe ihre Inhalte über Bord kippt und sich zum Papiertiger degradiert, in Zukunft keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen wird. Und ich wette, auch das machtpolitische Kalkül von Frau Künast in Berlin, die auf eine grünrote Koalition auf Bundesebene im Wahljahr 2013 schielt, wenn nur hier in Baden-Württemberg die Koalition hält, wird nicht aufgehen.

Die Appelle an unsere Regierung haben in diesen Tagen inflationäre Ausmaße angenommen. Trotz der Befürchtung, dass sie ungehört verhallen, weigere ich mich derzeit noch, alle Hoffnung fahren zu lassen. Und appelliere somit noch einmal an die Adresse der grünen Fraktion und des Ministerpräsidenten: Machen Sie sich nicht mit dem Schlossgarten-Kahlschlag die Finger schmutzig! Machen Sie sich nicht zu Handlangern der Betreiber- und Befürworterseite! Diese wollen Sie nur zu gern in der Rolle der Exekutoren jenes miesesten aller Jobs im Vorfeld ihres Bauvorhabens sehen. Trauen Sie sich, aus dem perfiden Spiel eines machtbesessenen Konzerns auszusteigen, der mit der Egozentrik eines außer Rand und Band geratenen Kinderzimmertyrannen um sich schlägt. Ihnen wird am Ende nur die zweifelhafte Ehre bleiben, die Scherben zusammenzufegen, wenn alles kaputt ist.

Bauen Sie nicht darauf, dass der Protest der Obenbleiber aufhören wird und Sie als Regierungskoalition Ruhe bekommen, wenn im Schlossgarten erst die Bäume geopfert sind. Bewegungen wie die unsere finden nur aus einem einzigen Grund ein vorzeitiges Ende: dann nämlich, wenn offenbar wird und man zugeben muss, dass man sich in der Sachlage getäuscht hat. Das aber ist bei uns absolut nicht der Fall. Uns macht jeder Tag sicherer, dass wir uns nicht täuschen. Jeder Tag bringt uns aufs Neue die Bestätigung, dass Stuttgart 21 ein miserabel geplantes Projekt von lausiger Qualität ist mit einem Rattenschwanz von Fehlern und Mängeln, der kein Ende nimmt. Wenn Sie also meinen, die Schaffung unumkehrbarer Tatsachen werde unseren Widerstand schon zum Erlöschen bringen, dann kennen Sie uns schlecht.

Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Schlossgartenrodung wird der Paukenschlag sein, der unsere Bewegung noch enger zusammenschweißt. Verlassen Sie sich darauf: Sie werden uns nicht los, es sei denn, das Projekt stirbt, und dieses Projekt wird sterben. Bis dahin sagen wir weiter: Wir bleiben mutig, wir bleiben zusammen, wir bleiben oben!

Baden-Württemberg, 26. Januar 2012, wenige Tage vor dem Großangriff der DB AG auf Stuttgart

Baden-Württemberg, 26. Januar 2012, wenige Tage vor dem Großangriff der DB AG auf Stuttgart

Warum gute Demokraten die Baumfällungen im Stuttgarter Park verhindern müssen

Warum es sich in diesem Fall um Zivilen Ungehorsam handelt, der zum einen legitim und darüber hinaus ein wichtiges Element zur Wahrung unseres demokratischen Rechtsstaates ist

Verantwortlich für diesen Beitrag:
Uwe Mannke, Oberboihingen und Sylvia Heimsch, Stuttgart
Download als pdf: Gute Demokraten verhindern Baumfällungen im Park.pdf

  1. Korruptionsmentalität
  2. Schutz des Lebens und der Kultur
  3. Rechtsbewusstsein
  4. Erkenntnisund Handlungsfähigkeit
  5. Konsequenz und Perspektive
  6. Beantwortung der Eingangsfragen

1. Korruptionsmentalität

Wir stehen vor dem Rätsel, warum eine Politik – auch unter der Beteiligung von Grünen-ParteiPolitikern – in schlimmer Weise vernünftige Argumente(1) gegen das Projekt Stuttgart 21 ignoriert und autistisch eine zerstörerische Umkrempelung eines städtischen Kultur-Lebensraums, auch für viele Tiere und Pflanzen, und eines verhältnismäßig ökologischen Verkehrssystems zugunsten einer aus dem Ruder laufenden Profitmaschinerie zulässt, ja ihr sogar mit staatlichen Machtmitteln freies Geleit(3) gibt.

Es gibt Darstellungen, die wichtige Projekt-Akteure im Zusammenhang mit einem Kartellring(4) von Vorteilsgebern und -nehmern sehen. Doch es gibt Heerscharen von Fachkräften, die an diesem Gewinnspiel teilnehmen und die ihr Denken und Handeln in erster Linie daran ausrichten, wie sie dazugehören, ihre Karriere daran entwickeln und natürlich auf bequeme Weise zu viel Einkommen und Gewinn gelangen. Das reicht von Spitzenverdienern bis zu kleinen Angestellten, solange überhaupt eine Gewinnerwartung vorliegt oder Verlustangst besteht. Wir können nicht mit Bestimmtheit sagen, wo die Erpressbarkeit in diesem Zusammenhang aufhört; es muss aber vermutet werden, dass sie weit in das Lager der S21-Gegner hineinreicht. Auch hier will man seinen Lohn/Arbeitsplatz nicht verlieren.

Basisfehler bei diesem Denken ist, dass das eigene Handeln nicht mehr an Idealen bzw. höheren Werten also Moral ausgerichtet ist, sondern an Besitz, Einkommen und Macht. Hier ist nicht nur eine Willfährigkeit gegenüber wirtschaftlichem Druck zu erwarten; darüber hinaus leidet überhaupt die Einstellung zur eigenen Arbeit, zur Berufung, wenn nicht mehr über die Sinnhaftigkeit des eigenen Arbeitseinsatzes nachgedacht werden kann.

2. Schutz des Lebens und der Kultur

Wir reden über Werte, die sich nicht in Geld beziffern lassen und sie werden durch die entsprechenden Vokabeln erst wirksam, weil sie den hierüber Sprechenden und Zuhörenden wesenhafte Begriffe sind. Begriffe, die im Wortsinn mit den Händen gegriffen werden können, die lebendig sind, die das Leben repräsentieren, und nicht tote Worthülsen. Solche Werte werden formuliert, wenn von Denkmalschutz und Artenschutz gesprochen wird oder von einem „begehbaren Gedächtnis“(5). Aber auch zeitgemäße Verkehrskonzepte sind ein Teil unserer Kultur. Immer geht es um das Zusammenleben der Menschen untereinander, mit der Tierund Pflanzenwelt, um die Berücksichtigung des Stadtklimas, das wiederum korrespondiert mit dem kulturellen Leben und dieses wiederum wird getragen von Geschichts- und Umweltbewusstsein.

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