Martin Haase: „Die Koalition setzt sich aber aktiv und ernsthaft dafür ein“ – Sprachlicher Nebel in der Politik

Ein Vortrag von Martin Haase auf dem 28th Chaos Communication Congress – Behind Enemy Lines.
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Video-Beschreibung von 28c3 – 28.12.2011

maha/Martin Haase: „Die Koalition setzt sich aber aktiv und ernsthaft dafür ein“
Sprachlicher Nebel in der Politik

Aktuelle politische Texte (Reden, Interviews) werden auf Leerformeln, Füllsel und Übertreibungen untersucht, die den Text entlarven, selbst wenn der Autor versucht, die Hörer bzw. Leser einzulullen, bestimmte sprachliche Mittel verraten, welche eigentlichen Meinungen sich im Text verstecken. Auf diese Weise wird in den Texten sichtbar, was Wilson und Shea als „Fnord“ bezeichnen.

Der Sprachwissenschaftler Victor Klemperer hat festgestellt: „Was jemand willentlich verbergen will, sei es vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt: Die Sprache bringt es an den Tag.“ Besonders deutlich wird das an Ausdrucksmitteln, die als „Nebelsprech“ bezeichnet werden können: Es handelt sich dabei vor allem um sprachliche Füllsel (Pleonasmen), die im jeweiligen Kontext nichts zur Bedeutung eines Textes beitragen, sondern einer Aussage nur Nachdruck verleihen sollen, den die Aussage gar nicht benötigen würde, wenn sie ernstgemeint wäre. So heißt es im Koalitionskompromiss zum Weiterbau der A100 in Berlin: „Das Projekt des 16. Bauabschnitts der BAB 100 wird nicht grundsätzlich aufgegeben. Die Koalition setzt sich aber aktiv und ernsthaft dafür ein, dass eine Umwidmung der Bundesmittel ermöglicht wird.“ Die Adverbien „aktiv“ und „ernsthaft“ haben hier eine entlarvende Wirkung, denn ein passiver und scherzhafter Einsatz für eine Forderung ist ja gar nicht vorstellbar. In der Rhetorik spricht man in diesem Zusammenhang von einer Hyperbel, die allerdings im vorliegenden Fall misslungen ist, denn die hyperbolische Steigerung legt nahe, dass mit Aktivitäten in diesem Zusammenhang möglicherweise nicht zu rechnen ist. Auch wenn „vorbehaltlos, rückhaltlos und umfassend analysiert“ wird (Merkel), sollte man hellhörig werden, denn was „völlig ungefährlich“ und „gänzlich unbedenklich“ ist, hat meist einen Haken.

Analysiert werden Texte zum „Atomausstieg“, zur Vorratsdatenspeicherung und zu weiteren aktuellen Themen, vor allem aus der Netzpolitik.

Beschreibung: http://events.ccc.de/congress/2011/Fahrplan/events/4675.en.html